Erfreulicherweise und gut für die Stimmung, besitzt Klaus Buchner, der die Welt bereist hat und in fernen Ländern als Physiker gearbeitet hat, die Lässigkeit des Kosmopoliten. Wie nebenbei erwähnt er, dass er in Brüssel mehrfach Opfer eines Straßenraubs gewesen war. Das hat ihn nicht davon abgehalten, aufrecht seinen Job zu machen. Der einundachtzigjährige Politiker, Wissenschaftler, emeritierter Professor und Buchautor ist seit nunmehr fünfundzwanzig Jahren ein engagierter Warner in Bezug auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen, die leider auch im Bereich des Mobilfunks überhand nehmen. Sein letztes Buch, gemeinsam mit der Ärztin Monika Krout unter dem Titel „5G-Wahn(sinn)“ verfasst, gehört eigentlich auf den Nachttisch jeder Politikerin, jedes Politikers.
Während seiner Abgeordneten-Zeit in Brüssel hatte Klaus Buchner zusammen mit der französischen EU-Abgeordneten der Grünen, Michèle Rivasi, stetig versucht, auf die massiven Gefahren der Mobilfunkstrahlung hinzuweisen und die anderen Abgeordneten für das Thema der Gesundheitsrisiken zu sensibilisieren. Leider ist dies, in einer immer noch auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichteten Politik, schwieriger denn je.
Einen besonderen Akzent der gemeinsamen Arbeit haben die beiden Außenseiter Buchner/Rivasi in ihrem aufsehenerregenden ICNIRP-Report gesetzt. Im Februar 2021 erschienen in der Schriftenreihe der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V., war der Report in Brüssel zuerst in englischer, französischer und deutscher Sprache im Juni 2020 wie folgt veröffentlicht worden: „Die internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung, Interessenkonflikte, Corporate Capture und der Vorstoß zum Ausbau des 5G-Netzes“. In der Herausgeber Notiz heißt es: „Die weltweite Diskussion über die biologischen Wirkungen von Funkstrahlen wird von einer kleinen, aber international bestens vernetzten Gruppe von Wissenschaftlern beherrscht, deren Stellungnahmen oft in direktem Gegensatz zur Mehrheit der Forscher stehen. Ein wichtiges Glied in dieser Gruppe ist der private Verein ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) mit Sitz in Neuherberg bei München. Wer sind seine Mitglieder? Sind sie wirklich unabhängig und frei von Interessenkonflikten?“
Das Aufdecken dieser offensichtlichen Industrie-Lobbyisten zeigte umgehend Wirkung. So haben für Gerichte in den Niederlanden die von der ICNIRP vorgeschlagenen Grenzwerte den Schutz der Gesundheit nicht sicherstellen können. Ein italienisches Gericht hat einen Vertreter der ICNIRP wegen Befangenheit nicht einmal zu einer Aussage während der Verhandlung zugelassen.
Dann kam Corona und die Welt nahm einen völlig neuen Kurs. Einen, der die ganze Welt in eine nahezu fatale Abhängigkeit von den diversen digitalen Geräten gesteuert hat. Es ist schwerer denn je, in diesem Klima der Angst auf die hinter der Total-Digitalisierung lauernden Gefahren aufmerksam zu machen. Michéle Rivasi und Klaus Buchner tun dies mit neuem Schwung. Ihr Zusammentreffen im EU-Parlament war eine rührende Szene. „Ich vermisse Dich sehr, lieber Klaus“, sagte Madame Rivasi und herzte ihren ehemaligen Weggefährten, der, altersbedingt, seine Abgeordneten-Position an eine junge Nachfolgerin weitergegeben hat.
Michele Rivasi ist ein aktiver Vulkan. Ein Wirbelwind, der sich Gehör verschafft. Sie steht so ziemlich allein auf weiter Flur, deshalb muss sie umso lauter ihre Stimme erheben. Und das tut sie denn auch, wenn sie z.B. gegen den ungebremsten Ausbau von 5G wettert, der einfach weiterläuft, obwohl mannigfaltige Warnungen der Wissenschaft einen Ausbaustopp fordern.
Zuletzt hatte die sogenannte STOA-Studie: Gesundheitliche Auswirkungen von 5G, herausgegeben vom Technikfolgenausschuss des Europäischen Parlaments (STOA- steht für das Science and Technology Options Assessment Komitee, sprich zu deutsch Technikfolgenausschuss), nicht zuletzt auf Druck von Michèle Rivasi unter Berücksichtigung der aktuellen Mobilfunkstudienlage genau dies getan. Die Studie geht so weit und bezeichnet 5G als ein Experiment an der Bevölkerung. Und kritisiert ebenfalls direkt die ICNIRP und beanstandet, dass diese bei der Beurteilung der gesundheitlichen Gefahren immer noch nicht die nicht-thermischen Auswirkungen berücksichtigt. Die Autoren fordern weiterhin eine Risiko-Aufklärung der Bevölkerung.
An ihrer Seite hat Michèle Rivasi mit Charles Maxence Layet einen erfahrenen investigativen Journalisten und Strategen, den wir übrigens während unseres internationalen 5G-Kongresses „Von Goethe zu den Fortschrittsdebatten unserer Zeit“ im Oktober 2022 im Düsseldorfer Goethe-Museum hören konnten. Er half uns in Brüssel bei den Dreharbeiten und der Akkreditierung im EU-Parlament. Maxence ist die klassische „rechte Hand“ der Politikerin, ist der Macher und Netzwerker im Hintergrund.
Mit seiner Unterstützung organisiert Michèle Workshops im Parlament, zum Beispiel, um auf die zunehmende Zahl der Elektrohypersensiblen hinzuweisen, lädt Betroffene ein, damit sie von ihren Leiden und Sorgen berichten können.
Ich erinnere einen Workshop im April 2023, dort im Diskussionsforum saß dann ein für den technischen Fortschritt zuständiger Abgeordneter, der lapidar meinte, er wisse nichts von diversen Gesundheitsproblemen. Er sei nur an den technischen Machbarkeiten interessiert und da gäbe es bereits 6G in Vorbereitung …
Es sind genau diese Ignoranz und Arroganz, die blinde Übernahme diverser gezielt von Industrielobbyisten gesteuerten Meinungen, die uns als Menschheit in ein digitales Dilemma führen. Erreichbarkeit und weltweite virtuelle Vernetzung in Sekundenschnelle einerseits, zunehmende Risiken für unsere Gesundheit, für die Umwelt, für die Natur und unsere Kinder andererseits. Die Gesellschaft steuert zunehmend in die digitale Abhängigkeit und unsere Kinder in die Sucht. Das können die meisten Eltern mittlerweile täglich vielfältig nachvollziehen und nicht umsonst ist das Buch „Wir verlieren unsere Kinder“, der Schulleiterin Silke Müller, auf Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerlisten gelandet.
Bezeichnend in diesem Zusammenhang eine riesengroße Anzeigentafel vor dem EU-Parlament. Dort sind drei in ihre Smartphones vertiefte Kinder zu erkennen und daneben steht in Großbuchstaben:
SAFE INTERNET: BANS ON ADS TARGETING CHILDREN
Also: Sicheres Internet: Verbot von an Kinder gerichtete Werbung
Bravo! Besser kann man von den eigentlichen Problemen nicht ablenken.
Klaus Scheidsteger