Olle Johansson, Professor am Karolinska-Institut Stockholm, besuchte die Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialkomitees (European Economic and Social Committee) zum Thema Elektrosensibilität am 4. November 2014 in Brüssel. Dort stellte er Elektrosensibilität als funktionelle Behinderung dar, die unter der heutigen verbreiteten Belastung mit elektromagnetischen Feldern stark zugenommen hat. Einige Statements aus seinem Report:
Für mich ist sehr deutlich, dass die Gemeinde der Elektrosensiblen (engl. EHS Community) weltweit jetzt einstimmig handeln muss, dies ist definitiv eine goldene Chance für einen Wechsel […]
Die Gemeinde der Elektrosensiblen MUSS sich entscheiden, ob sie als Menschen angesehen werden sollen, die eine Krankheit mit einer psychiatrischen und/oder medizinischen Diagnose haben und dementsprechend mit Verhaltenstherapie, (Psycho-)Pharmaka und/oder korrigierender (Psycho-)Chirurgie behandelt werden müssen ODER ob sie als Menschen betrachtet werden sollen , die eine funktionelle Behinderung haben, und deshalb ihr Heim, ihre Arbeit und ihre allgemeine Lebensumwelt mit technischen/praktischen Maßnahmen ‚behandelt‘ haben, um sie für sich vollständig verträglich (engl. accessible- frei zugänglich, barrierefrei*) zu gestalten.
Die Gemeinde der Elektrosensiblen MUSS sich – damit sie als übereinstimmend angesehen wird – darüber verständigen, mit welchem Begriff man sie beschreiben/bezeichnen soll. Persönlich, auf der Basis des oben Gesagten, würde ich auf ‚funktionelle Behinderung Elektrosensibilität‘ setzen, nichts weiter. […]
Zur Erinnerung: Gleichbehandlung der Mitglieder der Gesellschaft ist nichts, was als Gefälligkeit getan werden sollte; auch ist es nichts, was die einen Einwohner auf höfliches Ersuchen eines Parlaments oder einer Regierung den anderen zukommen lassen sollen . Gleichbehandlung ist nichts, was aus ‚Herzensgüte‘ getan werden sollte. Es ist etwas, das man tut, weil es von jedem Bürger erwartet wird, weil das Fehlen der freien Zugangsmöglichkeit (engl. inaccessibility) und Diskriminierung per Gesetz verboten sind. Somit ist es nicht in Ordnung, absichtlich die Symptome der Elektrosensiblen zu verschlimmern.
Die Elektrosensiblen müssen daher in jeder Situation und mit allen verfügbaren Mitteln Rücksicht, politische Vertretung und Macht einfordern. Sie sollen sehr deutlich alle Versuche zurückweisen, die eine Mentalität von ‚Bemitleiden‘ oder ‚Betreuen‘ widerspiegeln. Das Fehlen der freien Zugangsmöglichkeit ist kein persönliches Problem. Es ist ein Problem für die Gesellschaft. Eine fehlende Zugangsmöglichkeit ist nicht nur eine Sache der geistigen Haltung. Es geht um Diskriminierung. Und mit diskriminierenden Handlungen und Verhalten soll man nicht in der Art umgehen, dass man wohlmeinende Ratschläge zur Behandlung gibt. Diskriminierung ist bereits ungesetzlich! […]
Das Nicht-Ernst-Nehmen seitens der Gesellschaft. muss ein Ende haben, ebenso das Fehlen von Rücksichtnahme, die Gleichgültigkeit und der Mangel an Achtung Akzeptiert niemals eine diskriminierende Behandlung oder eine beleidigende Sonderbehandlung! Setzt Euch ein für die Rechte anderer, und auf diesem Wege werdet Ihr Euch einsetzen für Eure eigene Zukunft! […]
Denkt daran, wir alle müssen alle die Gesetze und die Regeln zum Schutz vor Benachteiligung befolgen. Das Gegenteil zu tun, ist ein ernsthafter Verstoß und sollte sofort als offizielle Rechtsbeschwerde berichtet/eingereicht werden bei Euren lokalen Behörden, Parlament, Regierung, der EU und den Vereinten Nationen. […]
Die medizinischen Symptome der funktionellen Behinderung Elektrosensibilität werden bereits seit 2000 durch den Nordischen Ministerrat klassifiziert als eine arbeitsplatzbezogene symptombasierte Diagnose (ICD-10-Code) . Im Endeffekt heißt dies, dass jeder, der symptomlindernde Medikamente braucht, sie haben soll, genauso wie eine Person mit einer Störung der Beweglichkeit z.B. schmerzstillende Mittel haben soll für ihre Rückenschmerzen, die sie dadurch erworben hat, dass sie ihre Tage im Rollstuhl verbringen muss. Dies nimmt nichts von der Behinderung, das Prinzip der kompletten freien Zugangsmöglichkeit (Barrierefreiheit) gilt zu 100% weiter.
* „Barrierefrei“ wird im Deutschen in der Behindertengesetzgebung ähnlich wie im Englischen auch im übertragenen Sinne verwendet, siehe z.B. Behinderten-Gleichstellungsgesetz.
Deutsche Übersetzung der Auszüge von Christine Aschermann
Olle Johanssons Brief im englischen Original